Die bloße Idee von „idealer Schönheit“ mag angesichts ihrer extremen Unterschiede zwischen den Kontinenten fast amüsant erscheinen. Was hier bewundert wird, wird anderswo kritisiert, und was den einen als „perfekt“ erscheint, wirkt auf die anderen fremd. Wie Sie sehen werden, bilden ästhetische Kriterien weltweit ein faszinierendes – und mitunter verwirrendes – Mosaik. Infolgedessen werden Größe, Gewicht, Figur und Gesichtszüge zu regelrechten sozialen Markern, leider begleitet von dem damit einhergehenden psychischen Druck.
China: Die Herrschaft der Ultradünnheit
Laut einer Analyse chinesischer Standards auf Marketing China ist Schlankheit in China nicht nur ein Ideal, sondern ein regelrechtes Statussymbol. Soziale Medien haben dieses Streben durch virale Challenges wie die berühmte „A4-Taille“ noch verstärkt, bei der ein DIN-A4-Blatt die gesamte Taille bedecken muss. Man kann sich den Druck vorstellen, diesem Ideal zu entsprechen. Es ist sogar die Rede von einem BMI um 17 – viel zu niedrig –, der von vielen als Symbol für „ästhetische Reinheit“ angestrebt wird.
Das „ideale Gesicht“ folgt derselben Logik: schlank, zart, oft mit einem Melonenkern verglichen. Große Augen mit wohlgeformten Lidern sind so begehrt, dass aufwendiges Make-up und gezielte Schönheitsoperationen zum Standard geworden sind. Das Ziel: ein V-förmiges, perfekt ovales, fast unwirklich wirkendes Gesicht zu kreieren.
Brasilien und Afrika: Eine Feier der Formen
In Brasilien herrscht ein radikaler Wandel: Dort werden sogenannte „üppige“ Figuren nicht nur gefeiert, sondern oft als kulturelles Ideal hochgehalten. Breite Hüften, schmale Taille und ein tiefer Ausschnitt: Die berühmte „Gitarren“-Silhouette ist allgegenwärtig. Diese Ästhetik wurzelt in Tradition und einer entspannten Einstellung zum eigenen Körper. Schönheitsoperationen sind weit verbreitet, nicht um diese Kurven zu kaschieren, sondern um sie zu betonen.
In Westafrika, in Ländern wie Mauretanien und Nigeria, gilt ein hohes Gewicht nach wie vor als tief verwurzeltes Symbol für Wohlstand, Gesundheit und Fruchtbarkeit. Während im Westen körperliche Entbehrung geschätzt wird, sehen diese Kulturen darin ein Zeichen von Fülle, Reichtum und Vitalität. Eine positive Sichtweise, die jedoch auch fordernd sein kann.
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West gegen Südostasien: Zwei Visionen, zwei Herausforderungen
In den USA wird das Schönheitsideal oft von der Fitnesswelt und Instagram geprägt. Der athletische, muskulöse, „spektakuläre“ Körper mit definierten Bauchmuskeln und straffer Hüfte wird gefeiert. Dieses Ideal kann eine ständige Kontrolle über Gewicht und Ernährung erfordern.
In Südkorea ist der gegenteilige Trend überraschend: Dort gilt eine sehr schlanke, fast jugendliche Figur mit V-förmigem Gesicht und weichen Gesichtszügen als Ideal. Extreme Diäten sind weit verbreitet und werden von der K-Pop-Industrie gefördert, in der ein allgegenwärtiger Schönheitswettbewerb herrscht.
In Indien herrscht weiterhin ein traditionelleres Schönheitsideal vor: Breite Hüften und weiche Kurven wurden lange Zeit geschätzt. Westliche Einflüsse und der anhaltende Colorismus verändern jedoch die Schönheitsideale, mitunter auf widersprüchliche Weise.
Europa: ein Kontinent, viele Schönheitsideale
In Europa hängt alles von der Himmelsrichtung ab . Im Norden ist „schlichte Eleganz“ beliebt: strahlende Haut, eine schlanke, athletische Figur, dezentes Make-up und helles Haar. Skandinavier pflegen einen natürlichen Stil, bei dem das Aussehen wichtiger ist als die Leistungsfähigkeit.
Im Mittelmeerraum hingegen wird Sinnlichkeit stärker geschätzt: Kurven, sonnengebräunte Haut und sichtbare Weiblichkeit. In Frankreich und Italien herrscht mühelose Eleganz vor: ein gepflegtes Erscheinungsbild, ohne dabei aufgesetzt zu wirken.
Osteuropa? Ganz anders. Dort werden kräftige, markante slawische Gesichtszüge oft idealisiert, ebenso wie die schlanken Figuren, die von Mode und sozialen Medien beeinflusst sind. In Spanien hingegen werden traditionell kurvige Hüften und ein gebräunter Teint geschätzt.
In Europa herrscht weitgehend Einigkeit über einen BMI-Wert zwischen 18 und 22, der flexibler ist als in Asien, aber dennoch von numerischen Illusionen beeinflusst wird. Darüber hinaus ist dieser Indikator alles andere als verlässlich: Der BMI sagt so gut wie nichts über den tatsächlichen Gesundheitszustand einer Person aus und sollte keinesfalls als Maßstab für einen sogenannten „perfekten Körper“ herangezogen werden.
Wenn sich die Standards ändern… ändern sich auch die Anforderungen.
Schönheitsideale waren nie festgelegt . In China beispielsweise gewinnt eine sino-westliche Ästhetik an Bedeutung: helle Haut, hohe Nasen, „internationalere“ Gesichtszüge. Diese Vermischung, maßgeblich befeuert durch soziale Medien, verstärkt das Streben nach „Perfektion“ und führt zu einer Zunahme kosmetischer Eingriffe. Man spricht sogar von Operationen zur Verfeinerung der Kieferpartie oder zur Schaffung der begehrten Falte zwischen den Augenbrauen. Angesichts dieses Drucks wächst die Body-Positivity-Bewegung dennoch, langsam aber sicher. Sie erinnert uns daran, dass jeder Körper seine eigene Legitimität, seine eigene Schönheit und seine eigene Präsenz besitzt.
Letztendlich beweist diese weltweite Reise durch die Schönheitsideale: Es gibt keine universelle Wahrheit. Eine Figur, die in Korea als „perfekt“ gilt, würde in Brasilien kritisiert werden. Helle Haut, in China verehrt, würde in Spanien als „langweilig“ empfunden. Ein kantiges Gesicht, in Osteuropa bewundert, würde in Korea als „zu reif“ wahrgenommen werden, und so weiter. Sich mit diesen sich ständig wandelnden Normen zu vergleichen, ist wie die Teilnahme an einem manipulierten Rennen mit ständig wechselnden Regeln. Du verdienst Besseres. Dein Körper verdient es, ohne kulturelle Filter gesehen zu werden.
