Mit 80 Jahren stellt Helen Mirren den Schönheitsbegriff, wie wir ihn seit Jahrzehnten kennen, kühn infrage. Sie strebt nicht länger danach, einem starren Ideal zu entsprechen; sie bevorzugt Dynamik, Anmut und eine lebendige Präsenz, die weder vom Spiegel noch vom Alter abhängt. Und genau so inspiriert sie, indem sie einen unverwechselbaren Stil und eine einzigartige Energie verkörpert.
Sie ist vorsichtig mit dem Wort „Schönheit“.
Die britisch-amerikanische Schauspielerin Helen Mirren könnte, wie so viele andere Ikonen, an den Codes klassischer, standardisierter Schönheit festhalten. Doch sie widersetzt sich ihnen mit einer fast irritierenden Eleganz. Bei der Veranstaltung „L’Oréal Paris Women of Worth 2025“ in Los Angeles erklärte sie, dass sie dem Wort „Schönheit“ misstraut, da es ihr zu eng und mit oft unrealistischen Erwartungen behaftet sei. Dieser Begriff, so Mirren, engt ein. Er lähmt. Besonders mit zunehmendem Alter, wenn er zu einem Minenfeld wird, auf dem jede Falte als Affront betrachtet wird.
Was sie am meisten liebt, ist „Swagger“. Ein Wort, das eine bestimmte Haltung beschreibt, eine Art, in der Welt zu sein, ein stilles Selbstvertrauen, das in ihrem Gang ebenso wie in ihrem Lachen durchscheint. „Swagger“ ist das, was einen Menschen jenseits seines Aussehens offenbart, das eine Geschichte erzählt, noch bevor er den Mund aufmacht. In ihren Augen ist das Aussehen nicht alles. Energie hingegen lügt nie. Sie sagt, sie möchte nicht für ein makelloses Gesicht oder eine perfekt geformte Figur in Erinnerung bleiben, sondern für diese innere Ausstrahlung, die die Jahre überdauert und niemals verblasst.
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Komfort vor Koketterie
Mit ihrem Modeverständnis verkörpert Helen Mirren etwas zutiefst Befreiendes. Vorbei sind die Zeiten drückender Schuhe, beengender Kleider und steifer Posen, die von übertrieben reglementiertem Glamour erzwungen werden. Humorvoll und klar erinnert sie uns daran, dass ein gelungenes Outfit mit bequemen Schuhen beginnt. Diese einfache „Regel“ spricht Bände: Wahre Eleganz entsteht aus Komfort, aus dem Gefühl, sich in seiner Haut wohlzufühlen, mit dem eigenen Alter und dem eigenen Stil im Reinen zu sein. Eine Freiheit, die unsere Art, uns zu kleiden, und unser Selbstbild verändert.
Der rote Teppich: Eine Inszenierung statt eines Urteils
Was den roten Teppich angeht, sieht Helen Mirren ihn als Bühne, nicht als Gerichtssaal. Eine freudige, fast theatralische Darbietung, ein flüchtiger Moment, der weder Besessenheit noch Angst verdient. Diese Distanz erlaubt es ihr, einer Welt zu entfliehen, in der das Image alles beherrscht und die kleinste „Unvollkommenheit“ genauestens unter die Lupe genommen wird.
Für sie sind diese Momente zum Spielen da, zum Vergnügen, um für einen Augenblick in eine extravagantere Rolle als sonst zu schlüpfen. Dann wendet sie sich etwas anderem zu. Diese Fähigkeit, die Dinge richtig einzuordnen und Glamour mit Leichtigkeit zu begegnen, ist vielleicht eine ihrer wertvollsten Lektionen.
Älterwerden als Sieg, nicht als Kapitulation.
Und dann ist da noch ihre Einstellung zum Alter. Helen Mirren spricht nicht davon, dass es unausweichlich sei oder den Tod bedeute, sondern als ein Sieg. 80 zu sein, ist für sie fast schon ein Privileg. Noch arbeiten zu können, zu lachen, sich zu schminken, ein Glas Wein zu genießen, ins Theater zu gehen, einen Film zu entdecken oder eine Serie am Stück zu schauen: All das sind einfache Freuden, die sie voll und ganz auskostet.
Für sie bedeutet Älterwerden, neue Möglichkeiten zu entdecken, nicht Einschränkungen. Es bedeutet, eine ungebrochene Neugier und ein gelassenes Verhältnis zu sich selbst zu pflegen. Es bedeutet, mit neu gewonnener Freiheit voranzuschreiten, frei von der Besessenheit von den Meinungen anderer.
Ihr wahres Vermächtnis hat also nichts mit einem festgelegten ästhetischen Ideal zu tun. Es liegt in ihrer humorvollen, distanzierten und normenübergreifenden Sicht auf das Leben. Die britisch-amerikanische Schauspielerin Helen Mirren verkörpert eine lebendige, selbstbewusste und rebellische Schönheit. Eine Schönheit, die sich nicht messen, sondern nur fühlen lässt. Eine Schönheit, die mit 80 Jahren anders strahlt, weil sie nicht mehr von Jugend, sondern von Haltung abhängt.
