Stofftiere, Lego, Zeichentrickfilme und Videospiele sind längst nicht mehr nur etwas für Kinder. Immer mehr Erwachsene, sogenannte „Kidults“, bekennen sich offen zu ihrer Vorliebe für diese vermeintlich kindlichen Dinge. Handelt es sich hierbei um einen vorübergehenden Trend oder um ein Symptom einer tiefer liegenden Generationenunzufriedenheit?
Ein sich rasch ausbreitender kultureller Trend
Der Begriff „Kidulte“, eine Wortschöpfung aus „Kind“ (Kind) und „Erwachsener“, bezeichnet Erwachsene, die weiterhin Produkte konsumieren, die traditionell mit der Kindheit assoziiert werden. Dazu gehören Sammelfiguren, Retro-Videospiele, Malbücher, Kleidung mit Comicfiguren und der Besuch von Popkultur-Messen (wie der Comic Con oder der Japan Expo).
Das Phänomen ist alles andere als ein Randphänomen, sondern hat deutlich an Bedeutung gewonnen. Laut einer Studie des britischen Marktforschungsunternehmens Mintel gaben 2023 27 % der Erwachsenen zwischen 25 und 44 Jahren an, Spielzeug für sich selbst zu kaufen. Diese Zahl steigt seit 2019 kontinuierlich. Marken haben dies erkannt: Lego beispielsweise hat Premium-Produktreihen speziell für Erwachsene auf den Markt gebracht, die Nostalgie und Eleganz vereinen.
Eine Antwort auf die Unsicherheiten des Erwachsenenalters?
Hinter diesem Trend verbirgt sich eine tiefere Dynamik. Das Phänomen des „Kidult“ ist in erster Linie eine Bewältigungsstrategie angesichts einer als angstauslösend empfundenen Gesellschaft. Wirtschaftliche, ökologische und politische Krisen … für viele Menschen in ihren Dreißigern und Vierzigern ist die Erwachsenenwelt mit Unsicherheit und Instabilität verbunden. Die Rückkehr in die Welt der Kindheit bietet ihnen dann einen Zufluchtsort.
Dies ermöglicht es, an tröstliche Erinnerungen anzuknüpfen und im Alltag, der sich manchmal schwer anfühlen kann, wieder ein Gefühl von Kontrolle und Leichtigkeit zu erlangen. Die französische Soziologin Cécile Van de Velde, Spezialistin für europäische Jugendforschung, erklärt: „Der Übergang ins Erwachsenenalter ist zu einem langen, unsicheren und oft fragmentierten Prozess geworden. In diesem Kontext dienen bestimmte Meilensteine der Kindheit als Anker.“
Zwischen Konsumverhalten und Identitätskonstruktion
Manche Kritiker sehen darin eine Ausprägung der Konsumgesellschaft, in der alles zur Ware wird, selbst Nostalgie. Ihrer Meinung nach wird das Phänomen der „Kidults“ von Marken als Marketinginstrument ausgenutzt. Tatsächlich geht es bei den – oft teuren – Produkten eher ums Sammeln als um den täglichen Gebrauch; mitunter tragen sie auch zu einem inszenierten Image in den sozialen Medien bei.
Diese Interpretation übersieht jedoch einen wichtigen Aspekt: Für viele Kidultes sind diese Objekte nicht bloß eine Laune oder ein Instagram-tauglicher Trend. Sie verkörpern einen Teil ihrer Identität. Sie werden zu Mitteln des persönlichen Ausdrucks, der sozialen Kontakte und manchmal sogar der psychischen Widerstandsfähigkeit. In diesem Sinne kann das Kidult-Sein auch ein Akt kultureller Aneignung sein.
Eine erneuerte Vision von Reife
Das Phänomen der „Kidults“ wirft auch Fragen zu unserem Verhältnis zur Reife auf. Lange Zeit bedeutete Erwachsenwerden, „kindliche“ Hobbys aufzugeben. Diese Grenze verschwimmt jedoch zunehmend. Erwachsensein im Jahr 2025 bedeutet nicht mehr zwangsläufig einen standardisierten Lebensstil mit Ehe, Kindern und einem sicheren Arbeitsplatz. Diese neuen Erwachsenen beanspruchen das Recht, ihren eigenen Weg zu gehen und andere Formen der Balance zu finden.
In diesem Kontext würde die Vorliebe für Pokémon oder der Bau eines Star-Wars-Modells nicht länger als Rückschritt, sondern als Ausdruck von Meinungs- und Geschmacksfreiheit gelten. Dieser Wandel wird zusätzlich durch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verstärkt, die sich offen zu ihrer Kindheit bekennen. Künstler, Sportler und Content-Creator zögern nicht länger, ihre nerdigen oder kindlichen Leidenschaften zu zeigen und tragen so zur Legitimierung dieser Kultur in der Öffentlichkeit bei.
Ein generationenübergreifendes Phänomen, das voraussichtlich anhalten wird?
Es ist zwar schwierig, die Zukunft dieses Phänomens vorherzusagen, doch deuten einige Anzeichen darauf hin, dass es eher struktureller als zyklischer Natur ist. Einerseits wachsen neue Generationen mit einer allgegenwärtigen und ungehemmten Popkultur auf. Andererseits verstärken aufeinanderfolgende Krisen das Bedürfnis nach Trost und Unbeschwertheit.
Kidults sind also nicht einfach Erwachsene, die sich weigern, erwachsen zu werden. Im Gegenteil, sie sind vielleicht Erwachsene, die versuchen, den Begriff „Erwachsenwerden“ in einer sich wandelnden Welt neu zu definieren. Eine Welt, in der Selbstfürsorge auch das Recht auf Leichtigkeit, Spiel und Fantasie umfasst.
Kurz gesagt, das Phänomen der Kidults ist weit mehr als eine vorübergehende Modeerscheinung. Es offenbart die Suche nach Sinn, Zugehörigkeit und individuellem Ausdruck in einer oft unsicheren Welt. Weit davon entfernt, eine Flucht vor der Realität darzustellen, kann es auch als eine neue Art des Erwachsenwerdens verstanden werden, mit eigenen Regeln und Empfindungen.
